31. August 2023

Vier Wochen unter freiem Himmel

Letztes Jahr reisten wir mit der Idee nach Berlin zurück, das nächste Mal für vier Wochen zu kommen. Weil drei Wochen zwar lang sind, sich aber nie genug anfühlten, auch nicht nach vielen, vielen Sommern auf genau diesem wunderschönen Flecken Erde.

Dank Internet, meiner beruflichen Selbständigkeit und weiteren guten Fügungen konnten wir diese Idee tatsächlich verwirklichen. Vier Wochen! So lange war ich noch nie von zu Hause weg. Und gleichzeitig waren wir an einem Ort, der schon lange wie ein zweites Zuhause für uns ist, unsere Bergheimat, Herzensort und Familienkraftplatz seit nunmehr 13 Jahren.

Was ich dieses Mal besonders toll fand: der Überraschungskurzbesuch unserer Tochter (auf einmal stand sie in der Tür), am zweiten Abend Pizza aus dem Holzbackofen und Wiedersehen mit Freund*innen und Bekannten, wenn abends unten im Tal die Lichter angingen, das Sonnenmuster der neuen Sandalen auf meinem Füßen, drei Tage am Lago Maggiore (endlich haben wir es dorthin geschafft), Brändi Dog, Heidelbeeren mit Schlagsahne, dieses eine Huhn mit dem umgeknickten Kamm, der Aprikosenkuchen von meinem Mann (und dass er so etwas ohne Rezept hinbekommt), die Zwillingsmädchen von Laia und Jonas und wieder einmal ein Kind auf dem Rücken zu tragen, die tagelange krasse Hitze und der Moment des Aufatmens, wenn die Sonne hinter den Bergen verschwunden war, die Lektüre von „Welten auseinander“ von Julia Franck (wie konnte mir diese Autorin bisher entgehen), Elisabeths Goldmelissensirup, die Steintreppe vor unserem Haus, auf der es sich so herrlich lesen, schreiben und stricken ließ, das Gewitter in der letzten Nacht und zu fühlen, jetzt ist es gut, jetzt reicht es, ich bin satt und erfüllt und glücklich und dankbar für einen weiteren ganz wunderbaren Bergsommer, bis wir nächstes Jahr wiederkommen.

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19. Januar 2023

Flick und Glück auf dem Land (und eine Einladung zum Puppenreparieren)

Letztes Wochenende fand mein erstes Highlight des Jahres statt. Da war ich mit meiner Freundin Julia in der Priegnitz im wunderschönen Landhaus MariaMaria, wo der Workshop „Wear it + Repair it“ mit der Textilkünstlerin Doris Runge stattfand. Zwei Tage nähen, stopfen, flicken, stricken und neu machen standen auf dem Programm. Im Gepäck hatte ich einen weißen Lieblingspullover aus Schurwolle, der über die Jahre zahlreiche Löcher und Flecken bekommen hatte.

Eigentlich ist es nicht unbedingt meine Art, Kleidung auszubessern. Bis ich vor einem Jahr für unsere Podcast-Episode „Neues Leben für die Puppen“ tief in das Thema Reparieren eintauchte und sich mir über die Puppen hinaus eine neue Welt öffnete. Ich las Bücher, lernte über Techniken, Material und Hintergründe, nahm an Online-Kursen teil, entdeckte eine faszinierende Bubble bei Instagram, staunte über Meisterinnen ihres Fachs, arbeitete mich ein und deckte mich ein mit Werkzeugen und Utensilien, von denen ein kleines honigduftendes, gelbes Blöckchen Schneiderwachs mein liebstes ist.

Als mir dann im Herbst der Workshop mit Doris zuflog und ich mich auch gleich in den Ort verliebte, an dem er stattfinden sollte, zögerte ich keine Sekunde und meldete Julia und mich an. Es sollte auch ein Freundinnenwochenende werden.

Und wie gut wir es hatten: Schönste Wintersonne nach vielen grauen Tagen bei der Abreise in Berlin, anderthalb Stunden später warmer Empfang in der Priegnitz, ein charmant renoviertes altes Pfarrhaus, in dem schon der Ofen eingefeuert war und es nach Apfelkuchen duftete, ein Gefühl von Vertrautheit und Das-wird-richtig-Gut, Ankommen in der Gemeinschaft, Abtauchen ins Handwerk und Aufgehen im gegenwärtigen Moment.

Doris hatte Bücher, Samples, Material und Werkzeuge und ihre fast lebenslange Textil-Liebe-Expertise dabei und so entstand ein gemütlicher und wohlwollender Raum, in dem sich alle, versammelt um den großen Küchentisch, ihren eigenen Projekten widmen konnten. Besonders schön fand ich, dass Marion, unsere Gastgeberin, die ganze Zeit um uns herumwuselte, den Ofen mit Holz feuerte, köstliche Mahlzeiten zauberte, uns mit Snacks und Geschichten von Land und Leben versorgte und sich bei Gelegenheit dazusetzte und ebenfalls werkelte.

Ich lernte an dem Wochenende nur eine einzige Flicktechnik, mit der sich sowohl grobe Wollsocken als auch feiner Strick reparieren lassen. Das war völlig ausreichend für den Anfang und um meinen Pullover zu flicken. Dafür nahm ich mir ganz viel Zeit und hielt ansonsten Augen, Ohren und Herz offen. Denn es gab noch so viel mehr zu lernen und zu erfahren, zum Beispiel über den Wert der Handarbeit, das Glück des Reparierens und die Verbundenheit, die in so einer Runde entstehen und vielleicht ein wenig zu einer besseren, friedlichen Welt beitragen kann.

Mir haben diese beiden Tage auch noch einmal richtig Lust auf die Puppenreparier-Runde gemacht, die Laura und ich ganz neu zwei Mal in diesem Jahr anbieten werden. Am Samstag, den 4. März und 18. November laden wir herzlich ein, in gemütlicher Atmosphäre im Popcorner in Berlin gemeinsam Puppen zu reparieren, aufzuarbeiten und zu verschönern. Ihr bringt eure kleinen Patient*innen mit, Laura und ich Handwerkszeug und unsere Erfahrung aus über 15 Jahren Puppenmachen. Mehr dazu hier, die Anmeldung läuft bereits und wir freuen uns riesig auf euch!

© 9. Bild Simone Hawlisch


22. August 2022

Wo die Seele baumeln kann

Kann es in diesen Zeiten überhaupt noch echte Auszeiten geben? Einen Hochsommer, in dem die Tage zu einem einzigen guten Gefühl verschmelzen und das Wesentliche mit all seiner Schönheit spürbar wird? Angesichts der äußeren Bedrängnisse der letzten 2,5 Jahre glaubte ich es ehrlich gesagt nicht mehr, bis ich es bei unserem alljährlichen Bergsommer an unserem Familienkraftort doch wieder erleben durfte.

Ich bin unendlich dankbar für diese langen drei Wochen, in denen ich alle Sorgen loslassen und zu neuen körperlichen und seelischen Kräften kommen konnte. In dieser Zeit veränderte und verbesserte sich zwar nichts im Außen, aber sie machte mir das Geschenk der Zuversicht, dass es immer einen Gestaltungsspielraum in meinem Herzen gibt, der jede Zeit zu einer guten Zeit machen kann, verbunden mit allem, was mir wichtig und wesentlich ist.

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10. August 2021

Zeit für Wolken

Unser zehnter Sommer in den Bergen. Mit einem Jahr Unterbrechnung kommen wir seit elf Jahren an diesen wunderschönen Ort, dieses Jahr zum ersten Mal zu zweit.

In Zeiten wie diesen sind drei Wochen auf 1550 Meter Höhe mit über hundert Ziegen und Menschen, die über die Jahre zu Freundinnen und Freunden geworden sind, eine echte Auszeit und Zuflucht für Herz und Seele. Jahr für Jahr dort Willkommen geheißen zu werden, tiefer eintauchen und diesen Ort mit leben zu dürfen, ist die beste Medizin. Und immer wieder beginnt es von Neuem.

Knietief in Wildblumen versinken. Das Anschwellen der Grashüpfergesänge in der Mittagshitze. Baden im Gebirgsbach. Und danach auf den großen warmen Steinen entspannen. Nackt in der Natur sein. Sieben Mal ein neues Buch beginnen. Heidelbeeren für das Geburtstagsfrühstück sammeln. Heidelbeerpfannkuchen! Ziegenfrischkäse, wie es ihn frischer nicht gibt. Ein honiggoldener Vollmond in meiner Geburtstagsnacht. Nussschnaps mit der Nachbarin trinken und die neuesten Geschichten vom Berg hören. Beim Rommé gewinnen, beim Rommé verlieren. Die Augen nach Murmeltieren offen halten. Wieder ein paar Worte Italienisch dazulernen. Wenn jemand Gitarre spielt. Die beste Pizza der Welt. Leben. Lachen. Beisammen sein. Zeit für Wolken. Viel Regen. Viele Regenbogen. Nach lautstarkem Gegacker ein frisch gelegtes Ei finden. Einmal bis auf die Unterwäsche nass werden. Wenn nach fünf Tagen Dauerregen zum ersten Mal die Sonne wieder scheint. Der Geruch von frisch gemähtem Gras, von Harz aus dem Wald, von Holzasche in der Luft. Diese wunderbare Trägheit. Dieser faszinierende, riesige Raum der Bergzeit.

Nächstes Jahr wieder.

Und wieder und wieder.

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13. August 2020

Schön seid ihr hier

Schön, so begrüßt zu werden, Jahr für Jahr für Jahr. Und schön zu wissen, dass wir immer wiederkommen werden und dies ein Ort der Zuflucht für Herz und Seele ist, gerade in Zeiten wie diesen.

Trotz gedämpfter Grundstimmung hatte dieser Sommer seine Momente und zwar ganz schön viele: Frisch bezogene Betten bei der Ankunft. Ein Strauß Wiesenblumen auf dem wurmstichigen Tisch. Ein Willkommensbrief von Freunden aus Basel, die wir um einen halben Tag verpasst hatten. Der Duft von Holzasche. Wenn das Alphorn tönt. Kleidung tragen, die ich nur hier trage. Dass es an meinem Geburtstag Bindfäden regnete. Blaubeerpfannkuchen zum Frühstück. Blaubeerenblaue Finger. Mittagsschlaf bei Regengewitter. Eine bunt behangene Wäscheleine. Die sanfte Leichtigkeit am Abend nach einem besonders heißen Tag. Pizza aus dem Holzbackofen. Nussschnaps bei der Nachbarin. Fleur, unsere liebste Geiß, die schon genauso lange wie wir Sommer für Sommer auf den Berg kommt (zehn Jahre sind es jetzt). Ein Geburtstagsfeuerwerk (jedoch nicht für mich). Heidelbeeren mit Schlagsahne. Die Abende, an denen wir die Ziegen aus dem Stall führen durften. Und wie sie Morgen für Morgen und Abend für Abend eine nach der anderen den schmalen Pfad Richtung Wiese entlang trippeln. Ein unverhofft berührendes Stück auf der Gitarre. Das Kartenspiel lernen, mit dem sich die Jugendlichen die Zeit vertreiben. Ihr Lachen und ihre Musik durch das ganze Dorf hören. Katzenbabies! Auf den ersten Blick eine Sternschnuppe am Nachthimmel entdecken. Und am nächsten Abend ein einzelnes Glühwürmchen auf seinem Flug beobachten. Die Menschen hier, unsere Freunde. Lagerfeuer, ein Licht in der Dunkelheit und wissen: Alles ist gut.

Zurück in Berlin wieder dieses Ziehen im Herzen. Was wird? Wird es gut? Wer will ich sein in dieser Welt und wofür stehe ich?

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