17. Januar 2024

Wieder ein glückliches Flickwochenende auf dem Land (und ein Puppenreparierliebe-Update)

Letztes Jahr hat es uns so gut gefallen, dass meine Freundin Julia und ich gerade wieder zu Gast im wunderschönen Landhaus MariaMaria in der Priegnitz in Brandenburg waren, wo es eine neue Ausgabe des Workshops „Wear it + Repair it“ mit der Textilkünstlerin Doris Runge gab. Wieder zwei Tage nähen, stopfen, flicken, stricken und neu machen, dazu köstliche Speisen, Spaziergänge, Austausch, gute Laune und sich vom bollernden Ofen durchwärmen lassen. Es war wieder die perfekte kleine Kreativ-Auszeit mitten im Winter und ich freue mich jetzt schon auf nächstes Mal.

Im Gepäck hatte ich erneut meinen weißen Lieblingspullover, den ich letztes Mal schon fleißig geflickt und bestickt hatte und der in der Zwischenzeit unter dem Namen Konfettipullover noch mehr zum Lieblingspullover geworden war. Er sollte weitere Konfetti bekommen. Außerdem reparierte ich einen feinen Baumwollschal mit goldenem Nähgarn und dachte dabei an Kintsugi, die traditionelle japanische Reparaturmethode für Keramik, bei der Bruchstücke mit Goldlack wieder zusammengefügt werden, so dass die Bruchlinien deutlich sichtbar bleiben und zu etwas Kostbarem und Schönem werden.

Die Narbe als Erfahrung, die Gold wert sein kann, hat mich auch das ganze letzte Jahr mit Mariengold beschäftigt. Das Flickwochenende mit Doris war damals Auftakt für einen neuen Schwerpunkt meiner Arbeit als Puppenmacherin. Seitdem habe ich viele, viele Puppen repariert, aufgearbeitet, erneuert und verschönert, ein professionelles Angebot für meine Kundin*innen aufgesetzt und mit meiner Freundin Laura einen ersten Puppen Repair Circle veranstaltet. Dabei habe ich unfassbar viel gelernt, nicht nur über Puppen und Puppenmachen, sondern vor allem über das Menschsein.

Denn jede Puppe, die zerliebt und zerlumpt zu mir kommt, hat eine Geschichte. Manchmal erfahre ich diese im Vorfeld, manchmal erspüre ich sie mit Herz und Händen, ohne dass ich Genaueres weiß. Neben viel Können und Handwerk ist es auch eine energetische Arbeit. Es kam vor, dass es nur den liebevollen Blick einer außenstehende Person (die ich war) brauchte, um eine Puppe wieder ins Leben und in die Familie zu bringen. Ein anderes Mal reichten eine neue Haarfarbe, ein mutiger Schnitt und der Austausch eines völlig desolaten Körperteils oder auch nur ein herzförmiger Flicken auf der Brust. Die längste Reparatur dauerte einen ganzen Tag und fühlte sich an wie eine OP am offenen Herzen, von der ich am nächsten Tag sogar Muskelkater hatte.

Die Puppen erzählen mir ihre Geschichten, ich bringe meine ganz eigene Geschichte mit (die mich nicht zuletzt zu dieser Arbeit gebracht hat) und in der Begegnung in der Reparatur können sich diese Geschichten wandeln. Narben mögen zurückbleiben, aber sie zeugen von Heilung, Wertschätzung und Liebe – und das ist pures Gold.

All das ging mir beim Workshop in der Priegnitz durch den Kopf. Ich gestand mir zwar im Stillen ein, dass das Flicken von Kleidung zwar sinnvoll und nachhaltig, aber nicht so sehr meins ist, spürte dafür aber umso mehr die Verbindung zu meinem eigentlichen Handwerk und freute mich auf ein weiteres Jahr mit meinem Herzensthema und alles, was ich lernen und erfahren würde über Puppen und Menschen.

Ihr dürft also sehr gern weiterhin Reparaturanfragen stellen und mir, falls ihr lieber selbst Hand anlegen wollt, Bilder von euren kleinen Patient*innen schicken, damit ich aus der Ferne helfen kann. Ich werde weiter dokumentieren und teilen, was ich in meiner Reparaturwerkstatt mache, und sicher auch das ein oder andere DIY veröffentlichen.

Und 2024 soll es auch wieder einen Puppen Repair Circle geben, allerdings steht noch kein Termin fest, auch weil ich noch nach einem Ort und Rahmen suche, der mir erlaubt, es möglichst kostengünstig anzubieten. Wenn ihr mir hier oder bei Instagram folgt, könnt ihr es nicht verpassen.

Mein Reparaturangebot findet ihr hier, Einblicke in meine Puppenreparaturwerkstatt mit vielen Vorher-Nachher-Bildern hier, mein Kursangebot mit den aktuellen Terminen hier und unsere Podcast-Folge „Neues Leben für die Puppen: Über Reparaturen, Glow-Ups und Abschiede“ hier.


31. August 2023

Vier Wochen unter freiem Himmel

Letztes Jahr reisten wir mit der Idee nach Berlin zurück, das nächste Mal für vier Wochen zu kommen. Weil drei Wochen zwar lang sind, sich aber nie genug anfühlten, auch nicht nach vielen, vielen Sommern auf genau diesem wunderschönen Flecken Erde.

Dank Internet, meiner beruflichen Selbständigkeit und weiteren guten Fügungen konnten wir diese Idee tatsächlich verwirklichen. Vier Wochen! So lange war ich noch nie von zu Hause weg. Und gleichzeitig waren wir an einem Ort, der schon lange wie ein zweites Zuhause für uns ist, unsere Bergheimat, Herzensort und Familienkraftplatz seit nunmehr 13 Jahren.

Was ich dieses Mal besonders toll fand: der Überraschungskurzbesuch unserer Tochter (auf einmal stand sie in der Tür), am zweiten Abend Pizza aus dem Holzbackofen und Wiedersehen mit Freund*innen und Bekannten, wenn abends unten im Tal die Lichter angingen, das Sonnenmuster der neuen Sandalen auf meinem Füßen, drei Tage am Lago Maggiore (endlich haben wir es dorthin geschafft), Brändi Dog, Heidelbeeren mit Schlagsahne, dieses eine Huhn mit dem umgeknickten Kamm, der Aprikosenkuchen von meinem Mann (und dass er so etwas ohne Rezept hinbekommt), die Zwillingsmädchen von Laia und Jonas und wieder einmal ein Kind auf dem Rücken zu tragen, die tagelange krasse Hitze und der Moment des Aufatmens, wenn die Sonne hinter den Bergen verschwunden war, die Lektüre von „Welten auseinander“ von Julia Franck (wie konnte mir diese Autorin bisher entgehen), Elisabeths Goldmelissensirup, die Steintreppe vor unserem Haus, auf der es sich so herrlich lesen, schreiben und stricken ließ, das Gewitter in der letzten Nacht und zu fühlen, jetzt ist es gut, jetzt reicht es, ich bin satt und erfüllt und glücklich und dankbar für einen weiteren ganz wunderbaren Bergsommer, bis wir nächstes Jahr wiederkommen.

Mehr Eindrücke von unterwegs findet ihr hier.


19. Januar 2023

Flick und Glück auf dem Land (und eine Einladung zum Puppenreparieren)

Letztes Wochenende fand mein erstes Highlight des Jahres statt. Da war ich mit meiner Freundin Julia in der Priegnitz im wunderschönen Landhaus MariaMaria, wo der Workshop „Wear it + Repair it“ mit der Textilkünstlerin Doris Runge stattfand. Zwei Tage nähen, stopfen, flicken, stricken und neu machen standen auf dem Programm. Im Gepäck hatte ich einen weißen Lieblingspullover aus Schurwolle, der über die Jahre zahlreiche Löcher und Flecken bekommen hatte.

Eigentlich ist es nicht unbedingt meine Art, Kleidung auszubessern. Bis ich vor einem Jahr für unsere Podcast-Episode „Neues Leben für die Puppen“ tief in das Thema Reparieren eintauchte und sich mir über die Puppen hinaus eine neue Welt öffnete. Ich las Bücher, lernte über Techniken, Material und Hintergründe, nahm an Online-Kursen teil, entdeckte eine faszinierende Bubble bei Instagram, staunte über Meisterinnen ihres Fachs, arbeitete mich ein und deckte mich ein mit Werkzeugen und Utensilien, von denen ein kleines honigduftendes, gelbes Blöckchen Schneiderwachs mein liebstes ist.

Als mir dann im Herbst der Workshop mit Doris zuflog und ich mich auch gleich in den Ort verliebte, an dem er stattfinden sollte, zögerte ich keine Sekunde und meldete Julia und mich an. Es sollte auch ein Freundinnenwochenende werden.

Und wie gut wir es hatten: Schönste Wintersonne nach vielen grauen Tagen bei der Abreise in Berlin, anderthalb Stunden später warmer Empfang in der Priegnitz, ein charmant renoviertes altes Pfarrhaus, in dem schon der Ofen eingefeuert war und es nach Apfelkuchen duftete, ein Gefühl von Vertrautheit und Das-wird-richtig-Gut, Ankommen in der Gemeinschaft, Abtauchen ins Handwerk und Aufgehen im gegenwärtigen Moment.

Doris hatte Bücher, Samples, Material und Werkzeuge und ihre fast lebenslange Textil-Liebe-Expertise dabei und so entstand ein gemütlicher und wohlwollender Raum, in dem sich alle, versammelt um den großen Küchentisch, ihren eigenen Projekten widmen konnten. Besonders schön fand ich, dass Marion, unsere Gastgeberin, die ganze Zeit um uns herumwuselte, den Ofen mit Holz feuerte, köstliche Mahlzeiten zauberte, uns mit Snacks und Geschichten von Land und Leben versorgte und sich bei Gelegenheit dazusetzte und ebenfalls werkelte.

Ich lernte an dem Wochenende nur eine einzige Flicktechnik, mit der sich sowohl grobe Wollsocken als auch feiner Strick reparieren lassen. Das war völlig ausreichend für den Anfang und um meinen Pullover zu flicken. Dafür nahm ich mir ganz viel Zeit und hielt ansonsten Augen, Ohren und Herz offen. Denn es gab noch so viel mehr zu lernen und zu erfahren, zum Beispiel über den Wert der Handarbeit, das Glück des Reparierens und die Verbundenheit, die in so einer Runde entstehen und vielleicht ein wenig zu einer besseren, friedlichen Welt beitragen kann.

Mir haben diese beiden Tage auch noch einmal richtig Lust auf die Puppenreparier-Runde gemacht, die Laura und ich ganz neu zwei Mal in diesem Jahr anbieten werden. Am Samstag, den 4. März und 18. November laden wir herzlich ein, in gemütlicher Atmosphäre im Popcorner in Berlin gemeinsam Puppen zu reparieren, aufzuarbeiten und zu verschönern. Ihr bringt eure kleinen Patient*innen mit, Laura und ich Handwerkszeug und unsere Erfahrung aus über 15 Jahren Puppenmachen. Mehr dazu hier, die Anmeldung läuft bereits und wir freuen uns riesig auf euch!

© 9. Bild Simone Hawlisch


22. August 2022

Wo die Seele baumeln kann

Kann es in diesen Zeiten überhaupt noch echte Auszeiten geben? Einen Hochsommer, in dem die Tage zu einem einzigen guten Gefühl verschmelzen und das Wesentliche mit all seiner Schönheit spürbar wird? Angesichts der äußeren Bedrängnisse der letzten 2,5 Jahre glaubte ich es ehrlich gesagt nicht mehr, bis ich es bei unserem alljährlichen Bergsommer an unserem Familienkraftort doch wieder erleben durfte.

Ich bin unendlich dankbar für diese langen drei Wochen, in denen ich alle Sorgen loslassen und zu neuen körperlichen und seelischen Kräften kommen konnte. In dieser Zeit veränderte und verbesserte sich zwar nichts im Außen, aber sie machte mir das Geschenk der Zuversicht, dass es immer einen Gestaltungsspielraum in meinem Herzen gibt, der jede Zeit zu einer guten Zeit machen kann, verbunden mit allem, was mir wichtig und wesentlich ist.

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10. August 2021

Zeit für Wolken

Unser zehnter Sommer in den Bergen. Mit einem Jahr Unterbrechnung kommen wir seit elf Jahren an diesen wunderschönen Ort, dieses Jahr zum ersten Mal zu zweit.

In Zeiten wie diesen sind drei Wochen auf 1550 Meter Höhe mit über hundert Ziegen und Menschen, die über die Jahre zu Freundinnen und Freunden geworden sind, eine echte Auszeit und Zuflucht für Herz und Seele. Jahr für Jahr dort Willkommen geheißen zu werden, tiefer eintauchen und diesen Ort mit leben zu dürfen, ist die beste Medizin. Und immer wieder beginnt es von Neuem.

Knietief in Wildblumen versinken. Das Anschwellen der Grashüpfergesänge in der Mittagshitze. Baden im Gebirgsbach. Und danach auf den großen warmen Steinen entspannen. Nackt in der Natur sein. Sieben Mal ein neues Buch beginnen. Heidelbeeren für das Geburtstagsfrühstück sammeln. Heidelbeerpfannkuchen! Ziegenfrischkäse, wie es ihn frischer nicht gibt. Ein honiggoldener Vollmond in meiner Geburtstagsnacht. Nussschnaps mit der Nachbarin trinken und die neuesten Geschichten vom Berg hören. Beim Rommé gewinnen, beim Rommé verlieren. Die Augen nach Murmeltieren offen halten. Wieder ein paar Worte Italienisch dazulernen. Wenn jemand Gitarre spielt. Die beste Pizza der Welt. Leben. Lachen. Beisammen sein. Zeit für Wolken. Viel Regen. Viele Regenbogen. Nach lautstarkem Gegacker ein frisch gelegtes Ei finden. Einmal bis auf die Unterwäsche nass werden. Wenn nach fünf Tagen Dauerregen zum ersten Mal die Sonne wieder scheint. Der Geruch von frisch gemähtem Gras, von Harz aus dem Wald, von Holzasche in der Luft. Diese wunderbare Trägheit. Dieser faszinierende, riesige Raum der Bergzeit.

Nächstes Jahr wieder.

Und wieder und wieder.

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