18. Juni 2014

Interview: „Stopfen bis zu Blasen an den Händen.“

Immer wieder werde ich gefragt, wie ich eigentlich Puppengestalterin geworden bin und ob ich meinen Beruf professionell gelernt habe. Diese Frage habe bis vor kurzem immer mit einem Kopfschütteln und dem Hinweis beantwortet, dass es eine solche Ausbildung nicht gibt. Bis ich in meinem Puppennähkurs im Mai Kathrin kennenlernte, eine berufsmäßige Spielzeuggestalterin, die mich eines Besseren belehrte.

Wie aufregend, fanden alle Frauen. Was gab es da nicht alles zu beschnattern! Und zwar auf Deutsch, Englisch und Spanisch, denn eine Teilnehmerin war extra aus Barcelona angereist. Nach dem Kurs hat Kathrin sich freundlicherweise die Zeit genommen, ein paar Fragen für meinen Blog zu beantworten.

Liebe Kathrin, magst du dich kurz vorstellen?
Mein Name ist Kathrin, ich wohne mit meiner Familie in Stuttgart und bin Spielzeugdesignerin bei einem großen deutschen Spielzeughersteller.

Nach dem Abitur habe ich zuerst Schreinerin gelernt und danach an der Staatlichen Berufsbildenden Schule Sonneberg in Thüringen eine Ausbildung zur staatlich geprüften Spielzeuggestalterin gemacht.

Was hat dich zu dieser Ausbildung bewogen? Welche beruflichen Träume waren damit verbunden?
Die Schreinerlehre hatte ich gemacht, um eine Grundlage für ein Studium im künstlerischen Bereich zu haben. Während der Ausbildung und dem Gesellenjahr überlegte ich, was ich denn nun studieren sollte: Produktdesign, Architektur oder doch lieber Kunst? Ich kam zu keinem Ergebnis, deshalb habe ich mich beim Arbeitsamt informiert und bin auf die Ausbildung in Sonneberg gestoßen. Da ich die erste Voraussetzung – eine abgeschlossene Berufsausbildung in einem Handwerk – bereits erfüllte, bewarb ich mich für die Aufnahmeprüfung.

Damals hatte ich bereits Geschenke für Freunde und Verwandte in der Schreinerei angefertigt, worunter auch Spielsachen waren. Das erste war eine Tigerente, komplett aus Holz gefertigt. Dafür hatte ich helles und dunkles Holz verleimt, Tigerenten ausgesägt und schön geölt. Die kamen so gut an, dass ich ein ganzes Dutzend machte! So entstand mit der bestandenen Aufnahmeprüfung der Traum, irgendwann als Holzspielzeugdesignerin meine eigenen Spielsachen zu verkaufen.

Erzähl uns von der Ausbildung. Was hast du gelernt und was hat dich und deinen gestalterischen Prozess am meisten geprägt?
In der Ausbildung, die auch den Erhalt der Fachhochschulreife beinhaltete, hatten wir viele verschiedene Fächer. Neben den praktischen wie komplexes Gestalten Holz, Textil und Kunststoff hatten wir auch Naturstudium Fläche und Plastik, Grafik, Schrift und Verpackung sowie Farbenlehre, Anatomie und Grundlagen visueller Gestaltung. Weitere Theoriefächer waren unter anderem Psychologie und Pädagogik, Kunst- und Designgeschichte sowie technische Grundlagen und Materialkunde.

In den praktischen Fächern bekamen wir immer wieder gestalterische Aufgaben gestellt. Manche mussten in wenigen Tagen und vor allem in kurzen, schlafarmen Nächten erarbeitet werden, andere, wie z. B. die dreimonatige Projektarbeit zum Ende der Ausbildung, dauerten länger. Die Aufgaben in Holz, Textil und Kunststoff fingen meist mit Skizzen und gefühlt endlosen Besprechungen dieser an. Danach wurden die Entwürfe zeichnerisch verbessert, verfeinert oder komplett verworfen und man begann wieder von vorne, bevor es nach weiteren Diskussionen endlich an die Herstellung des Spielzeuges ging.

Ich muss dazu sagen, dass ich in einer Haus-WG mit ein paar Mädels gewohnt habe, die zwei Jahrgänge über mir waren. Mit denen hatte ich eine tolle Zeit und wir führten immer sehr bereichernde Gespräche, die mich unheimlich weiterbrachten, weil ich dadurch auch bisher nicht bedachte Aspekte sah.

Direkt gegenüber wohnte eine gelernte Damenmaßschneiderin, die mir das Nähen beibrachte, während ich sie in Schreinerdingen unterstützte. Das war der Beginn meiner Liebe zum Nähen und zu Handarbeiten, die mir bis dahin völlig fremd waren. Ich hätte nie gedacht, dass das Spaß machen könnte! Zudem ist das Nähen mit den relativ wenigen und leicht zu beschaffenden Werkzeugen und einer Nähmaschine viel einfacher realisierbar als die Schreinerei.

Mich interessiert natürlich sehr, wie das Thema Puppenmacherei in der Ausbildung behandelt wurde. Magst du etwas darüber erzählen? 
Im Fach Komplexes Gestalten Kunststoff, wo wir allerdings nie mit eben jenem Material arbeiteten, haben wir eine klassische Puppe aus Papiermaché gemacht. Unsere Dozentin war wahnsinnig streng, aber wir haben auch sehr viel von ihr gelernt. Sie war eine leidenschaftliche Puppenmacherin, damals als Designerin der Künstlerpuppen bei der Firma Zapf in Rödental (ich sag nur Baby Born!) tätig.

Aber zurück zur Puppe: Arme, Beine und der Kopf wurden in wochenlanger Detailarbeit in Ton modelliert. Dafür haben wir aufwendige Gipsformen hergestellt und mit flüssigem Papiermaché ausgegossen. Die aus den Formen gelösten Körperteile wurden dann glatt geschliffen und bemalt. Den Puppenkörper haben wir aus weißem Baumwollstoff genäht und mit Baumwollwatte gefüllt. Zum Schluss wurde die Puppenkleidung hergestellt. Leider war das die einzige Puppe während der gesamten Ausbildung. Aber wir haben auch noch Phantasiefiguren und naturalistische Tier genäht, an denen wir das Ausstopfen bis zu Blasen an den Händen gelernt haben!

Nach deiner Ausbildung hast du als Produktdesignerin bei einem großen deutschen Spielzeughersteller angefangen. Was machst du dort genau? Wie war dein Einstieg und hast fühltest du dich gut vorbereitet gefühlt auf den Job?
Ich entwerfe entweder zeichnerisch auf Papier oder direkt am Computer Spielzeug, das anschließend von Kollegen zur Produktionsreife weiterverarbeitet wird. In diesem Prozess wird vom Entwurf über die Zwischenstände bis zum fertigen Muster immer wieder mit dem Vertrieb und den Produzenten diskutiert, was alles für ein gutes Produkt im Endergebnis beachtet, geändert und verbessert werden muss. Hierbei spielen modische Trends ebenso wie Preise von Materialien und nicht zuletzt die Umsetzbarkeit in der Produktion eine wichtige Rolle. Alle Aspekte müssen bedacht und alle Voraussetzungen erfüllt werden, damit im Laden später ein schönes und möglichst viele Kunden ansprechendes Produkt steht. Dieses Produkt darf natürlich nur einen bestimmten Preis kosten und soll so produziert werden, dass alle Beteiligten fair entlohnt werden, inklusive der Produzenten im Ausland.

Mein Einstieg war ein Sprung ins kalte Wasser, denn meine allererste Aufgabe war die Entwicklung eines ganz neuen Produktes, das neue Käufer ansprechen sollte. Dabei war für mich klar von Vorteil, dass ich am Ende meiner Ausbildung in Sonneberg für meine Projektarbeit ein dreimonatiges Praktikum bei einem anderen großen Spielzeughersteller gemacht hatte. Dort hatte ich bereits erfahren, was es heißt, seine Arbeit vor den Leuten des Vertriebs zu präsentieren und zu verteidigen, aber auch zu lernen mit Kritik – und da können sie sehr hart sein – umzugehen.

Über die Jahre habe ich begriffen, dass sich nicht immer alles, was wir Designer uns ausdenken, mit den Vorstellungen des Vertriebs deckt, und dass man aus Diskussionen frustriert herausgehen kann, wenn man zu sehr an den eigenen Ideen hängt und zu viel Herzblut reingesteckt hat. Bei großen Firmen muss man sich einfach im Klaren darüber sein, dass man als Designerin Produkte für eine Mehrheitsmeinung entwirft und nur in seltenen Fällen etwas, das einem vielleicht persönlich zusagt.

Hast du einen Tipp für Menschen, die sich mit handgemachtem Spielzeug, speziell Puppen selbständig machen wollen?
Ob es den einen Tipp gibt, weiß ich nicht. Es sollte sich richtig anfühlen und man sollte hinter seiner Idee stehen. Wenn man etwas mit Freude macht, so wie ich es zum Beispiel bei dir erlebt habe, und wenn diese Freude andere ansteckt, dann könnte es der richtige Zeitpunkt sein, sich selbständig zu machen. „Hergestellt in Deutschland“ oder bereits „Hergestellt in Europa“ ist sehr gefragt!

Was wünschst du dir für deine berufliche und gestalterische Zukunft?
Für meine berufliche Zukunft wünsche ich mir Spaß und Freude an der Arbeit. Mit den Spielsachen, die ich entwerfe, möchte ich Kinderaugen zum Strahlen bringen, so wie ich vor ein paar Wochen meinen Sohn zum Strahlen gebracht habe, als er die Puppe Hans bekam, die ich bei dir im Kurs gemacht habe. Es ist so schön zu sehen, dass Hans jetzt sein heiß geliebter Begleiter ist.

Für meine gestalterische Zukunft wünsche ich mir immer wieder neue Herausforderungen und die Fähigkeit, mich immer wieder neu zu erfinden.

Vielen Dank für das Gespräch und alles Gute für dich, liebe Kathrin!

(Disclaimer: Aufgrund der derzeitigen Rechtslage, die schon das bloße Nennen von Marken und Verlinken von Produkten, Marken, Menschen, Orten usw. als Werbung einstuft, kennzeichne ich diesen Beitrag als einen mit WERBLICHEN INHALTEN. Dennoch gilt: Wenn ich hier etwas oder jemanden benenne und als gut befinde, geschieht das als persönliche Empfehlung und im Rahmen meiner redaktionellen Themenauswahl. Alle hier gesetzten Links sind ein kostenloser Service von mir – unbezahlt und unaufgefordert. Alle hier genannten Produkte sind selbst gekauft. Bezahlte Kooperationen, sollte es sie jemals auf meinem Blog geben, würden immer ganz eindeutig als solche gekennzeichnet werden.)

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