26. August 2025

Hülle und Fülle

Unser Bergsommer war dieses Jahr spektakulär gerahmt von einem ungeplanten Helikopterflug statt Zu-Fuß-Aufstieg bei der Anreise und auf dem Rückweg einer Reifenpanne am gefühlt heißesten Tag des Jahres mitten im Nirgendwo im Tessin. Dazwischen lagen drei Wochen mit viel Regen (Dank Küchenofen absolut erträglich und gemütlich), Nordwind, Pfifferlingen satt, den besten Heidelbeeren, die ich je gegessen habe, Ziegenküssen, Seifenblasen, Rummikub-Nachmittagen, Büchern, Mittagsschläfchen, Strickzeit, Waldstromern und Wanderungen.

Es war unser 15. Sommer an diesem wunderschönen Ort und natürlich gab es wie jedes Jahr auch Tage, an denen ich vom Meer oder Kunst und Kultur in der Stadt oder einfach nur einer Kugel Eis träumte. Mittlerweile weiß ich, dass diese kleinen Krisen dazugehören und es danach nur noch schöner wird. Jetzt bin ich gerade mal zwei Wochen zurück in Berlin und freue mich schon wieder auf das nächste Mal.

Mehr von unseren Bergsommern findet ihr hier.


28. August 2024

Der Himmel in den Bergen

„Zu schubsen und zu kämpfen, mit den Knien über den matschigen Boden zu rutschen und zu spüren, wie der schwarze Schlamm mir durch die Finger hindurchsickerte und in den Haaren klebte, machte mich zu einem Wesen aus Fleisch und Blut, aus Knochen und blauen Flecken. Aus Ecken und Kanten und Schreien. Ich war lebendig.“

Dieses Zitat aus dem Buch „Malnata“ von Beatrice Salvioni trifft das Gefühl dieses Bergsommers sehr gut. Das Buch erzählt zwar eine ganz andere Geschichte und das Zitat ist vollkommen aus dem Zusammenhang gerissen, aber es beschreibt treffend, wie ich mich in den vier Wochen unter freiem Himmel fühlte, während Gedankenkarrussel und technische Geräte ausgeschaltet waren, das Erleben im Hier und Jetzt stattfand und die Wahrnehmung vor allem über den Körper ging. Das Leben ist einfach und unspektakulär dort oben, die Handgriffe des Alltags wiederholen sich auch dort jeden Tag (und sind zudem aufwendiger als unten), es gibt keine Möglichkeiten zur Ablenkung und Zerstreuung, kein Shopping und Entertainment. Dafür Natur, Wald, Wiesen, Tiere, Menschen, die uns über die Jahre ans Herz gewachsen sind. Das macht es so erholsam und erfüllend. Ich bin zutiefst dankbar, dass wir diesen Ort gefunden haben, der uns längst zur zweiten Heimat geworden ist und auf den wir uns jetzt schon wieder im nächsten Jahr freuen.

Mehr Eindrücke von unterwegs findet ihr hier.


31. August 2023

Vier Wochen unter freiem Himmel

Letztes Jahr reisten wir mit der Idee nach Berlin zurück, das nächste Mal für vier Wochen zu kommen. Weil drei Wochen zwar lang sind, sich aber nie genug anfühlten, auch nicht nach vielen, vielen Sommern auf genau diesem wunderschönen Flecken Erde.

Dank Internet, meiner beruflichen Selbständigkeit und weiteren guten Fügungen konnten wir diese Idee tatsächlich verwirklichen. Vier Wochen! So lange war ich noch nie von zu Hause weg. Und gleichzeitig waren wir an einem Ort, der schon lange wie ein zweites Zuhause für uns ist, unsere Bergheimat, Herzensort und Familienkraftplatz seit nunmehr 13 Jahren.

Was ich dieses Mal besonders toll fand: der Überraschungskurzbesuch unserer Tochter (auf einmal stand sie in der Tür), am zweiten Abend Pizza aus dem Holzbackofen und Wiedersehen mit Freund*innen und Bekannten, wenn abends unten im Tal die Lichter angingen, das Sonnenmuster der neuen Sandalen auf meinem Füßen, drei Tage am Lago Maggiore (endlich haben wir es dorthin geschafft), Brändi Dog, Heidelbeeren mit Schlagsahne, dieses eine Huhn mit dem umgeknickten Kamm, der Aprikosenkuchen von meinem Mann (und dass er so etwas ohne Rezept hinbekommt), die Zwillingsmädchen von Laia und Jonas und wieder einmal ein Kind auf dem Rücken zu tragen, die tagelange krasse Hitze und der Moment des Aufatmens, wenn die Sonne hinter den Bergen verschwunden war, die Lektüre von „Welten auseinander“ von Julia Franck (wie konnte mir diese Autorin bisher entgehen), Elisabeths Goldmelissensirup, die Steintreppe vor unserem Haus, auf der es sich so herrlich lesen, schreiben und stricken ließ, das Gewitter in der letzten Nacht und zu fühlen, jetzt ist es gut, jetzt reicht es, ich bin satt und erfüllt und glücklich und dankbar für einen weiteren ganz wunderbaren Bergsommer, bis wir nächstes Jahr wiederkommen.

Mehr Eindrücke von unterwegs findet ihr hier.


22. August 2022

Wo die Seele baumeln kann

Kann es in diesen Zeiten überhaupt noch echte Auszeiten geben? Einen Hochsommer, in dem die Tage zu einem einzigen guten Gefühl verschmelzen und das Wesentliche mit all seiner Schönheit spürbar wird? Angesichts der äußeren Bedrängnisse der letzten 2,5 Jahre glaubte ich es ehrlich gesagt nicht mehr, bis ich es bei unserem alljährlichen Bergsommer an unserem Familienkraftort doch wieder erleben durfte.

Ich bin unendlich dankbar für diese langen drei Wochen, in denen ich alle Sorgen loslassen und zu neuen körperlichen und seelischen Kräften kommen konnte. In dieser Zeit veränderte und verbesserte sich zwar nichts im Außen, aber sie machte mir das Geschenk der Zuversicht, dass es immer einen Gestaltungsspielraum in meinem Herzen gibt, der jede Zeit zu einer guten Zeit machen kann, verbunden mit allem, was mir wichtig und wesentlich ist.

Mehr Eindrücke von unterwegs findet ihr hier.


10. August 2021

Zeit für Wolken

Unser zehnter Sommer in den Bergen. Mit einem Jahr Unterbrechnung kommen wir seit elf Jahren an diesen wunderschönen Ort, dieses Jahr zum ersten Mal zu zweit.

In Zeiten wie diesen sind drei Wochen auf 1550 Meter Höhe mit über hundert Ziegen und Menschen, die über die Jahre zu Freundinnen und Freunden geworden sind, eine echte Auszeit und Zuflucht für Herz und Seele. Jahr für Jahr dort Willkommen geheißen zu werden, tiefer eintauchen und diesen Ort mit leben zu dürfen, ist die beste Medizin. Und immer wieder beginnt es von Neuem.

Knietief in Wildblumen versinken. Das Anschwellen der Grashüpfergesänge in der Mittagshitze. Baden im Gebirgsbach. Und danach auf den großen warmen Steinen entspannen. Nackt in der Natur sein. Sieben Mal ein neues Buch beginnen. Heidelbeeren für das Geburtstagsfrühstück sammeln. Heidelbeerpfannkuchen! Ziegenfrischkäse, wie es ihn frischer nicht gibt. Ein honiggoldener Vollmond in meiner Geburtstagsnacht. Nussschnaps mit der Nachbarin trinken und die neuesten Geschichten vom Berg hören. Beim Rommé gewinnen, beim Rommé verlieren. Die Augen nach Murmeltieren offen halten. Wieder ein paar Worte Italienisch dazulernen. Wenn jemand Gitarre spielt. Die beste Pizza der Welt. Leben. Lachen. Beisammen sein. Zeit für Wolken. Viel Regen. Viele Regenbogen. Nach lautstarkem Gegacker ein frisch gelegtes Ei finden. Einmal bis auf die Unterwäsche nass werden. Wenn nach fünf Tagen Dauerregen zum ersten Mal die Sonne wieder scheint. Der Geruch von frisch gemähtem Gras, von Harz aus dem Wald, von Holzasche in der Luft. Diese wunderbare Trägheit. Dieser faszinierende, riesige Raum der Bergzeit.

Nächstes Jahr wieder.

Und wieder und wieder.

Mehr Eindrücke von unterwegs findet ihr hier.